Die Nachricht, dass Celonis in einer Finanzierungsrunde 1 Milliarde Dollar aufgebracht hat, hat die Branche ziemlich aufgeschreckt. Nicht nur die Höhe der Finanzierung hat für Aufsehen gesorgt, sondern vor allem die daraus resultierende Bewertung von Celonis. Mit einer Bewertung des Unternehmens von mehr als 11 Milliarden US-Dollar ist Celonis zum ersten deutschen Decacorn aufgestiegen. Als Decacorn bezeichnet man neu gegründete Unternehmen, die außerhalb der Börse mit mehr als zehn Milliarden bewertet werden. Allerdings ist es mehr als fraglich, ob das 2011 gegründete Unternehmen, das im Jahr 2018 bereits mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet wurde und damit zum "Unicorn"-Status erhielt, heute noch als Start-up bezeichnet werden kann.
Aus den Start-Up-Schuhen herauswachsen
Denn Celonis, das vom ersten Tag an Gewinne gemacht hat und Jahr für Jahr dreistellig wächst, brauchte diese Finanzierungsrunde nicht. In den Jahren 2016 und 2018 konnte das Münchner Unternehmen bereits rund 80 Millionen US-Dollar von zwei Investorenrunden einwerben, die in die Expansion in den USA und die Weiterentwicklung der Software flossen. Darüber hinaus beschäftigt Celonis nach eigenen Angaben heute bereits 1.300 Mitarbeiter in München, New York und mehr als 15 weiteren Niederlassungen weltweit, hat seine Software mehr als 2.000 Mal implementiert und ist laut Gartner mit einem Marktanteil von 90 Prozent der Marktführer leader process mining . Als Pionier in dieser Process Mining Pionier in dieser Kategorie war Celonis das erste Unternehmen, das vor 10 Jahren die Fähigkeit entwickelte, Prozessprobleme automatisch abzubauen.
Im Zentrum des Technologietrends
Process Mining ist eine Prozessmanagementtechnik. Sie zielt darauf ab, Prozessabläufe zu entdecken, zu überwachen und zu verbessern, indem sie leicht verfügbares Wissen aus den Ereignisprotokollen von Informationssystemen extrahiert. Process mining bietet Unternehmen einen vollständigen Einblick in ihre tatsächlichen Abläufe. Mit diesen Erkenntnissen können Unternehmen dann Möglichkeiten zur Prozessoptimierung erkennen.
Glaubt man den Marktforschern, so brechen für process mining goldene Zeiten an. Laut dem SPARK Matrix Report: Process Mining 2020 wird der globale process mining Markt von 245 Millionen Dollar im Jahr 2019 auf 7,11 Milliarden Dollar im Jahr 2025 wachsen, was einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 75 Prozent entspricht. Doch für Alexander Rinke, Co-CEO und Mitbegründer von Celonis, geht das große Interesse am Potenzial des Marktes über process mining hinaus:
"Process mining ist für uns das Tor zu neuen und besseren Prozessen für Unternehmen, und wenn man darüber nachdenkt, ist das ein viel größerer Markt, den wir ansprechen.
Damit steht Celonis in einzigartiger Weise im Zentrum dieses Technologietrends, denn ohne funktionierende Prozesse wäre die datengetriebene, intelligente Umsetzung der digitalen Transformation gefährdet.
Den EMS-Markt im Auge behalten
Aber das ist dem Unternehmen nicht genug. Celonis nutzt diese Grundlage, um Pionierarbeit im Bereich Execution Management zu leisten und Geschäftsprozesse zu verändern. Vor weniger als sechs Monaten hat Celonis das Execution Management System (EMS) eingeführt. EMS ermöglicht es Unternehmen, Geschäftsprozesse vollständig auf der Grundlage von Daten und Informationen zu verwalten. Letztlich geht es darum, die grundlegenden Beschränkungen bei der Ausführung von Geschäftsprozessen durch eine komplexe Reihe von Legacy- und fragmentierten Transaktionssystemen zu überwinden. Mit anderen Worten: Celonis bietet nicht mehr nur die Analyse von Prozessen, sondern auch deren aktive Steuerung.
Ein erstes deutliches Zeichen
Zu diesem Zweck hat Celonis im vergangenen Oktober Make (ehemals Integromat) übernommen, die führende Cloud-basierte Automatisierungsplattform, die Anwendungen und Dienste mit leistungsstarken, codefreien Integrationen zur Automatisierung von Online-Workflows kombiniert. Sicherlich wird es einige Arbeit erfordern, dies zu einer einheitlichen Lösung zu formen. Und ob Celonis damit den Grundstein für eine Execution-Management-Industrie gelegt hat, wird erst die Zukunft zeigen. Es ist jedoch ein starkes und kraftvolles Zeichen für die Automatisierungsbranche. Es zeigt die Richtung, in die sich die Automatisierungsbranche bewegt. Komplettpakete von der Analyse über die Steuerung und Optimierung bis hin zur Automatisierung von Geschäftsprozessen (mit Technologien wie Robotic Process Automation (RPA) oder iPaaS) - nach dem Motto Execution Management aus einer Hand - machen solche Lösungen für jeden potenziellen Kunden hoch interessant und erhöhen den Druck auf alle Marktteilnehmer.
Kopf an Kopf mit UiPath
Betrachtet man die Entwicklung von UiPath, das bereits im Oktober 2019 Press Gold übernommen und process mining als UiPath in sein Angebot integriert hat, erscheint der von Celonis eingeschlagene Weg nur logisch, wenn man im Konzert der Großen mitspielen will. Die Kombination von process mining mit Robotic Process Automation (RPA) verbessert nicht nur die Marktposition, sondern erhöht auch die Marktmacht der Anbieter solcher Komplettlösungen. Der Schritt von Celonis zu EMS hat das Potenzial, die Marktstrukturen zu verändern und Celonis und UiPath als die beiden Big Player im Automatisierungsumfeld zu etablieren.
Microsoft ist mit von der Partie
Dennoch wäre es ein strategisch schwerwiegender Fauxpas, Microsoft aus den Augen zu verlieren. Mit der Integration von Process Advisor hat Microsoft auch seiner Power Automate Plattform process mining neue Fähigkeiten eingehaucht. Mit seinen verschiedenen Partnerschaften - darunter FortressIQ (mit einer Plattform für Prozessintelligenz), Blueprint Software Systems (Entwickler intelligenter Automatisierungssysteme) und PAFNow (leader in process mining) - hat Microsoft längst verstanden, dass Technologien wie KI (künstliche Intelligenz) und process mining zu wichtigen Treibern der Automatisierung werden, und hat seinerseits ebenfalls bereits seinen Hut in den Ring geworfen.
Strategisch über den Tellerrand hinausblicken
Der Deal mit IBM zeigt einmal mehr, dass Celonis nicht hinter dem Ofen sitzt, sondern strategisch mit großer Weitsicht denkt. Im Rahmen der Partnerschaft will IBM die Celonis-Produkte an seine Kunden verkaufen. Außerdem will IBM weltweit 10.000 Berater/innen ausbilden, damit sie die Celonis-Tools nutzen können. Celonis öffnet damit die Tür zu einem riesigen Vertriebs- und Beraterteam, während IBM ein tiefes Verständnis für eine Technologie erlangt, die am Anfang jeder Workflow-Automatisierungskette steht. Durch die Integration von Celonis mit Red Hat OpenShift kann die Celonis-Lösung in einer hybriden Cloud-Welt betrieben werden und die Leistungsfähigkeit von OpenShift nutzen, das die Welten von Mainframe, Private Cloud und Public Cloud überspannen kann.
Die Auszeichnung
Allein die Anziehungskraft eines Namens wie IBM sollte nicht unterschätzt werden und könnte zumindest ein Teil des Grundes sein, warum die Investoren bereit waren, so viel Kapital in das Unternehmen zu pumpen. Für Celonis ist das Geschäft wie ein Ritterschlag. Er macht dem anderen großen Walldorfer Softwareunternehmen, SAP, klar, dass Celonis ein absolutes Schwergewicht im Markt process mining ist, das mit seinem spezifischen Fokus vorne liegt. Hier mit Hilfe von IBM ein starkes Zeichen zu setzen, ist schon allein deshalb wichtig, weil SAP erst kürzlich Signavio, einen direkten Konkurrenten von Celonis, für eine Milliarde gekauft hat und beide zusammen in vielen Unternehmen tief verankert sind. Die Zuversicht von Celonis, mit dem EMS auf das richtige Pferd gesetzt zu haben, zeigt sich auch in der Ankündigung der 10-Millionen-Dollar-Execution-Capacity-Challenge auf der Celosphere, bei der Celonis entweder 10 Millionen Dollar an vergrabenen Kapazitäten finden oder 100.000 Dollar für wohltätige Zwecke spenden wird.
Wohin mit der riesigen Investition?
Aber am Ende des Tages stellt sich die Frage: Was macht man mit dieser riesigen Investition? Generell ist es kein Geheimnis, dass man Geld in die Hand nehmen muss, wenn man die Entwicklung eines so großen Marktes wie dem der Prozessautomatisierung in Angriff nehmen will. Immerhin hat Celonis heute erst einen Bruchteil des Marktpotenzials erschlossen. Aber Celonis hat offenbar ziemlich klare Vorstellungen, wie man es nutzen kann. Dazu gehört natürlich, die Produktentwicklung und -innovation weiter voranzutreiben, um Unternehmen beim Einsatz datengesteuerter intelligenter Ausführungsmanagement-Systeme zu unterstützen. Der Kauf zusätzlicher Plattformen oder kleinerer Anbieter, sofern sie einen Mehrwert bieten, ist ebenfalls nicht ausgeschlossen, hat aber nicht die höchste Priorität. Dies steht in krassem Gegensatz zu den Bereichen Personalbeschaffung und Recruiting, die, wenn man Co-Chef Bastian Nominacher(Podcast-Folge #25: Das Einhorn Celonis mit Bastian Nominacher) glauben darf, Celonis sehr am Herzen liegen:
Ein Börsengang ist für Alexander Rinke, Mitgründer und Co-CEO, nur ein Teil des Traums, aber kein so aufregendes Ziel wie das Erreichen des klimaneutralen Status, den Celonis versprochen hat. Generell wird Celonis aber voraussichtlich nicht mehr so sparsam wirtschaften wie in der Vergangenheit und eher stark in den Vertrieb und die Vertriebsunterstützung investieren.
Verstärkung durch Vision und Erfahrung
Es dürfte auch kein Zufall sein, dass gerade zu dem Zeitpunkt, an dem Celonis in einer dritten Finanzierungsrunde eine weitere Milliarde Dollar aufbringt, ein Veteran der Technologiebranche, ein ehemaliger hochrangiger Wall-Street-Analyst und Verantwortlicher für die Finanzen von Googles Flaggschiff-Werbegeschäft bei Google, Carlos Kirjner, als Chief Financial Officer zu Celonis kommt. Als Teil des Executive Management Teams wird Kirjner für die globale Finanzorganisation und -strategie verantwortlich sein. Kirjners nachweisliche Erfolgsbilanz und sein Weitblick, Branchentrends lange vor anderen zu erkennen, haben den Ausschlag gegeben. Für Bastian Nominacher, Co-CEO und Mitbegründer von Celonis, hat er "die Vision und Erfahrung, um unsere ehrgeizigen Ziele voranzutreiben, ein kategoriedefinierendes Unternehmen zu sein, das auf langfristiges Wachstum und Wirkung ausgelegt ist."
Schlussfolgerung
Das Erfolgsgeheimnis von Celonis liegt in der direkten Verbindung, die Unternehmen zwischen seiner Software tools und Produktivitätsverbesserungen herstellen können, die Millionen einsparen. Aber das Unternehmen zielt auch auf eine handlungsorientiertere Ebene seiner tools, die den Nutzern ein umfassendes Echtzeit-Dashboard ihrer Prozesse bietet, mit der Möglichkeit, Prozesse zu analysieren und empfohlene Verbesserungen oder Änderungen direkt durchzusetzen und zu automatisieren. Damit ist Celonis im Automatisierungsrennen voll auf Kurs und wird zweifellos zusammen mit UiPath die Poolposition einnehmen. Das restliche Feld der process mining und Automatisierungsanbieter ist derzeit noch sehr unübersichtlich und es wird interessant sein zu sehen, wie, wo und in welcher Konstellation sich die Marktteilnehmer positionieren werden, um mit dem von Celonis und UiPath vorgegebenen Tempo im neuen Feld der Execution Management Systeme mithalten zu können.